Bernhard Meßmer im Gespräch über das Getränk der Könige, kleine Winzer und eine ganze besondere Auszeichnung.
Wenn ich im Supermarkt Champagner kaufen will, dann finde ich dort immer die gleichen Marken. Woran liegt das? Gibt es keine kleinen Winzer in der Champagne?
Oh doch, die gibt es. In der Champagner unterscheiden wir hauptsächlich zwischen den großen Häusern - das sind die, die du im Supermarkt findest - und Winzerchampagnern. Die großen Häuser kaufen Trauben von überall zu, meist aus der gesamten Region. Sie machen Minimum 500.000 Flaschen. Moet & Chandon sind die größten. Sie produzieren allein von ihrem Brut Imperial geschätzte 20 Millionen Flaschen.
Das klingt in meinen Ohren jetzt ziemlich nach Massenprodukt…
Das wäre zu einfach. Die Herausforderung für die großen Häuser besteht darin, jedes Jahr eine große Menge mit guter Qualität in die Flasche zu bringen. Besonders charakterreich oder absolute Weltspitze wird das aber eher nicht sein.
Die finde ich also eher bei den Winzerchampagnern?
Winzerchampagner ist nicht per se besser. Das Qualitätsmanagement bei den Winzern ist sehr unterschiedlich. Es gibt Winzerchampagner, die unfassbar gut sind und es gibt welche, die sehr einfach sind. Es kommt - wie beim Stillwein auch - auf die Trauben an und wie man damit umgeht. Der Unterschied ist, dass die Champagnerwinzer ihre Trauben selbst anbauen und nicht zukaufen. Somit haben sie die Chance die Gesundheit und Reife der Trauben mit ihrer Arbeit im Weinberg direkt zu beeinflussen. Sie entscheiden, wie viel Zeit sie im Weinberg investieren, was sie dort genau tun, welche Menge sie erzielen wollen und mit welchem Reifegrad sie die Trauben ernten. Wenn man dann als Winzer auf Qualität setzt, den Ertrag moderat hält, dafür sorgt, dass die Reben gesund bleiben, reif erntet und dann noch über gute Weinberge verfügt, können absolute Spitzenweine entstehen. Große Produzenten kaufen dagegen den Großteil ihrer Trauben zu. Sie bezahlen einen Preis pro Kilo. Und die Zulieferer sind in erster Linie daran interessiert, die zulässige Höchstmenge an Trauben zu liefern. Reife, Gesundheit, etc. stehen meist nicht an erster Stelle.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Trauben der Champagnerwinzer meist aus wenigen Ortschaften stammen. Also daher, wo sie über Generationen Weinberge kaufen, tauschen oder durch Heirat hinzugewinnen konnten. Sie versuchen dann eher das Terroir, also die Auswirkungen von Boden, Lage und Mirkoklima herauszuarbeiten und produzieren im guten Falle individuelle Champagner.
Logisch, dass ich das bei den Großen weniger finde, wenn sie Trauben von überall kaufen.
In ihren Weinen stecken teilweise mehr als 100 verschiedene Einzelweine. Ausgewogenheit, Balance und Komplexität sowie Beibehalten des Hausstils sind ihre Ziele, nicht unbedingt Terroir.
Wie habe ich mir so ein kleines Weingut in der Champagner denn vorzustellen?
Wie ich schon sagte sind in der Regel die Weinberge seit langem im Besitz der Familie. Für kleinere Betriebe ist es sehr schwierig zu wachsen. Denn Weinberge in der Champagne sind extrem teuer. Und wenn mal was zum Verkauft steht, dann schnappen sich das sofort die Großen. Also sind die Weingüter meist regional festgelegt und ihre Champagner somit eher Ausdruck einer bestimmten Gegend.
Wie äußerst sich das in den Weinen?
In Ambonnay zum Beispiel wächst viel Pinot Noir. Die Hänge sind nach Süden und Westen ausgerichtet. Es gibt viel Sonne, die Trauben werden problemlos reif. Die Weine haben am Ende viel Kraft, Struktur und Intensität. Verzenay hingegen liegt weiter im Norden, etwa 20 Kilometer. Dort liegen die Weinberge in Richtung Norden und Osten, außerdem in einer Talsohle. Die Pinot Noir Trauben dort bekommen also deutlich weniger Sonne. Das macht die Weine frischer und schlanker.
Und die Winzer versuchen genau diese Unterschiede herauszuarbeiten?
Den Qualitätswinzern geht es darum, den Ausdruck einer Ortschaft oder gar eines einzelnen Weinbergs in die Flasche zu bringen. Das ist natürlich der komplette Gegenentwurf zur Produktion in großen Mengen. Damit will ich aber nicht sagen, dass eines besser ist als das andere. Auch die Produkte von den üblichen Verdächtigen wie einiger großer Häuser sind sehr gut.
Die Sache mit den Einzellagen klingt sehr trendy.
Tradition hat das in der Champagner auf jeden Fall nicht. Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es vielleicht gerade mal ein, zwei Handvoll Lagenchampagner. Heute sind es zwischen dreihundert und vierhundert. Auch die großen Häuser haben diesen Trend erkannt und arbeiten verstärkt an neuen Champagner, die aus Trauben einzelner Weinberge gewonnen werden.
Wie ist die Qualität dieser Lagenweine?
Teilweise sind die Weine grandios, charakterreich und enorm eigenständig. Aber das trifft nicht auf alle zu. Manche sind auch weniger oder gar nicht mitreißend. Eine Kehrseite kann sein, dass wenn der Winzer seine allerbesten Trauben gesondert ausbaut, diese dann nicht mehr für die Basiscuvée zur Verfügung stehen. Da stellt sich die Frage, wie sich deren Qualität entwickelt. Da muss man als Winzer seine Weine und Weinberge schon ganz genau kennen und Fingerspitzengefühl zeigen.
Mal eine ganz andere Frage. Kürzlich war ich in Frankreich in einem Restaurant. Und die Franzosen am Nebentisch haben das ganze Menü über nur Champagner getrunken. Waren das Snobs oder macht das wirklich Sinn?
Bei uns wird Champagner nur getrunken, wenn wir was zu feiern haben oder als Aperitif. Als Essensbegleiter ist er völlig unterschätzt. Dabei funktioniert das wahnsinnig gut.
Warum?
Champagner hat immer viel Säure. Und Säure ist ein hervorragender Partner für Salz und Fett - beides ist in vielen Gerichten eine wichtige Komponente.
Das probiere ich doch mal aus. Was muss ich bei der Kombination beachten?
Die Intensität des Champagners muss zum Essen passen. Ein Klassiker ist zum Beispiel ein Blanc de Blancs zu Sushi oder zu leichtem Fisch. Der hat zwar wenig Fett, dafür aber Salz. Ein Pinot-Champagner aus Ambonnay, wovon ich vorhin gesprochen habe, hat auch durchaus genug Kraft um Rind vom Grill begleiten zu können. Wenn man nur den richtigen Champagner aussucht, geht von Fisch über Kalb zu Rind bis hin zum Dessert oder Käse fast alles.
Das klingt spannend. Aber wie finde ich denn den Champagner, der passt und der mir gefällt?
Eine tolle Gelegenheit ist die Champagner Lounge, die wir von „einfach geniessen“ an jedem ersten Donnerstag im Monat veranstalten. Von 18 bis 22 Uhr machen wir in unserem Studio an der Augustenstraße in München sieben Champagner auf, alle von kleinen und individuellen Produzenten. Das Glas kostet ab acht Euro und dazu gibt’s auch eine Kleinigkeit zu essen. Ich bin immer da, stelle alle Schaumweine vor und beantworte natürlich jede Frage.
Dass Du dafür genau der Richtige bist, wurde Dir ja auch sozusagen offiziell bestätigt.
Ja, ich habe den Titel zum besten Champagnern Ausbilder gewonnen und darf mich Champagnern Botschafter Deutschland 2016 nennen.
Wie kam es denn zu diesem Titel?
Da muss ich etwas ausholen. Denn lange Zeit habe ich mich für Champagner überhaupt nicht interessiert. So vor sieben oder acht Jahren aber hat es mich durch den Kontakt mit den Winzern in der Champagne gepackt. Und ich habe gemerkt, dass Champagner, wenn er gut gemacht ist, enorme Spannung, Tiefe und Länge hat. Er gehört für mich zu den interessanten und großen Weinen der Welt und steht auch auf einer Stufe mit den ganz großen Rotweinen. Zudem ist Champagner, wie ich zuvor schon sagte, ein unfassbar guter Essensbegleiter. Das hat in Deutschland bisher kaum einer wahrgenommen.
Wie oft im Jahr bist Du in der Champagne?
Drei, vier Mal. So seltsam das klingen mag, aber das Gebiet ist hierzulande noch nicht so bekannt. Man kann noch echte Entdeckungen machen. Außerdem ist die Champagne derzeit enorm in Bewegung, ja richtiggehend im Aufbruch.
Zurück zum Champagnerbotschafter…
Ja, also im Zuge meiner wachsenden Begeisterung habe ich mich bei diesem Wettbewerb angemeldet und habe tatsächlich gewonnen. Da sind schon richtig gute Leute dabei.
Wenn ich nun nicht zu Dir kommen kann, um einen guten Champagner zu kaufen, worauf muss ich achten?
Man kann natürlich unseren Webshop einfachweinkaufen.de besuchen…aber generell gilt: Champagnerkauf ist Vertrauenssache! Denn mindestens 25 Euro kostet eine gute Flasche. Und da will man natürlich keine Enttäuschung erleben. Als erstes sollte man auf die Lagerung achten, denn Champagner ist noch empfindlicher als Stillwein. Liegt Staub auf den Flaschen? Stehen sie im Licht? Ist der Raum klimatisiert? Das sind erste Anhaltspunkte. Dann schaue ich, ob da noch mehr Produzenten stehen als die üblichen Verdächtigen, was dafür stehen kann, dass man sich in dem Laden mit Champagner beschäftigt. Und dann kommt es natürlich auf die Beratung an.
Kann ich einen Winzerchampagner irgendwie erkennen?
Auf der Flasche sind kleine Kürzel angebracht. Die wichtigsten sind NM für Négociant manipulant (Handelshaus) und RM Récoltant manipulant (Winzerbetrieb, der kaum Trauben zukaufen darf).
Was hältst Du von deutschem Winzersekt?
Da gibt es ganz hervorragende Sachen. Riesling ist aus meiner Sicht jedoch für richtig guten Sekt überraschenderweise gar nicht so gut geeignet. Die besten Sekte werden in Deutschland aus Spätburgunder, Weißburgunder oder Chardonnay gemacht. Einige Winzer haben ein sehr gutes Händchen dafür. Und es gibt zwei, drei Sektspezialisten, die enorm gut sind. Es muss ja nicht immer Champagner sein. In allen Ecken der Welt werden inzwischen tolle Schaumweine hergestellt. Der Unterschied ist meist, dass Champagner schlanker und säurebetonter sind und durch den Kalkboden einen enormen Druck auf die Zunge bringen. Andere Regionen sind in der Regel wärmer. Das bringt Aromen von reifen, tropischen Früchten mit sich. Das eine ist nicht besser als das andere, aber dadurch ist Champagner anders, besonders und wiedererkennbar.
Nochmal zu Euren Angeboten. Die Champagner Lounge ist ja nur eines von vielen, insgesamt bietet Ihr zehn Seminare an. Warum so viele?
Ganz einfach: Weil das Thema so vielfältig ist - das weiß nur kaum einer. Und mir macht Champagner einfach unglaublich viel Spaß! Ich bin in die Weine regelrecht vernarrt und möchte den Leuten Champagner als großartigen Wein näher bringen.
Warum ist Champagner eigentlich so teuer und gilt als das edelste aller Getränke?
Früher war Champagner das Getränk der französischen Könige. Die wurden immer in der Kathedrale von Reims gekrönt, und das liegt nun mal in der Champagne. Der Wein war damals übrigens ein stiller Rotwein. Erst ab etwa 1850 hat man in der Champagne bewußt Schaumwein erzeugt. Da man anfangs jedoch noch nichts über Hefen und da richtige Zuckerverhältnis für die zweite Gärung wußte und die Flaschen damals nicht sonderlich stabil waren, sind den Kellermeistern von drei Flaschen zwei um die Ohren geflogen. Somit konnten sich von Anfang an nur der Adel und die reichen Kaufleute Champagner leisten.
Zum Glück ist das heute anders…
Ja, aber Image und Preis sind trotzdem geblieben. Denn man hat Champagnern als Luxusgetränk positioniert und die Nachfrage aus der ganzen Welt ist heute enorm hoch, so dass sich hohe Preise durchsetzen lassen. Wenn man allerdings sehr guten Champagner, den es in Deutschland bereits ab 30 Euro oder 35 Euro zu kaufen gibt mit sehr guten Weinen aus anderen berühmten Regionen wie z. B. Burgund, Bordeaux, Barolo, Brunello oder auch Top Weinen aus Übersee vergleicht, dann ist Champagner gar nicht mehr so teuer.
Interview: Patrick Hemminger
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Bettina Hofmann
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